Editorial
TARDOC und EFAS: ein historischer Herbst der Reformen?
Spätestens mit den farbigen Blättern an den Bäumen und den ersten Herbststürmen beginnen auch zuverlässig und mantramässig – wir kennen es schon – die Diskussionen um die «Kostenexplosion» im Gesundheitswesen und ein Schwarzpeterspiel um die steigenden Krankenkassenprämien.
Das Gesamtsystem, vor allem die Politik, verliert jedes Jahr wertvolle Wochen und Monate an symbolische Debatten und Schattenboxereien statt, diese Zeit und Energie in echte Lösungen zu investieren. Diesen Herbst dürften die Diskussionen wohl noch einiges hitziger ausfallen: Ende Oktober haben die Tarifpartner einen neuen ambulanten Tarif beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht. Angesichts der jahrzehntelangen Tarifblockaden, vor allem zu Ungunsten von uns Haus- und Kinderärzt:innen, ein historischer gesundheitspolitischer Schritt.
Der Bundesrat hatte im Juni Nägel mit Köpfen gemacht und entschieden, dass der längst fällige TARDOC per 1. Januar 2026 eingeführt wird. Dass sich die Tarifpartner zusätzlich zum eigentlichen Tarifwerk auch noch auf Begleitmassnahmen geeinigt haben, die die Stärkung der Haus- und Kinderärzt:innen explizit als Ziel der Reform formulieren, ist nicht nur ein grosser Erfolg von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz. Es ist insbesondere noch einmal ein deutliches Signal an Politik, Behörden und Kolleg:innen anderer Fachrichtungen, dass die jahrelangen massiven tarifarischen Benachteiligungen der ärztlichen Grundversorgung jetzt endlich verschwinden müssen!
Ich wünsche mir und allen Verantwortlichen für die nächsten Schritte die nötige Besonnenheit und die Fokussierung auf das, was unser Gesundheitssystem nun dringend braucht, damit es nicht implodiert: eine starke, tarifarisch fair abgegoltene Grundversorgung, die erwiesenermassen niederschwellig, schlank und kosteneffizient ist.
Genau das fordert die Bevölkerung übrigens schon lange: Vor 10 Jahren mit überdeutlichen 88% Ja zur Stärkung der Grundversorgung in der Bundesverfassung und vor wenigen Wochen mit einer Petition mit über 53'000 Unterschriften zur Nachwuchsförderung. Es ist höchste Zeit, dass sich etwas bewegt!
Neben dem neuen Tarifwerk für ambulante Leistungen steht mit der einheitlichen Finanzierung (EFAS) eine zweite Grossreform kurz vor dem Durchbruch. Behalten die Auguren der direkten Demokratie recht, wird die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen am 24. November in der Volksabstimmung die letzte Hürde nehmen. Auch dies, wie bei TARDOC, nach jahrelanger Arbeit.
Wir sagen mit grosser Überzeugung Ja! zur einheitlichen Finanzierung (EFAS), denn sie ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Gelingen Tarifreform und EFAS, dürfte der Herbst 2024 in die Geschichtsbücher eingehen als historischer Herbst der gesundheitspolitischen Reformen.