Réseau de l'Arc
«Nicht die Krankheit steht im Mittelpunkt, sondern die Gesundheit»
Wenn es nach Regierungsrat Pierre Alain Schnegg geht, ist es höchste Zeit das aktuelle Gesundheitssystem umzukrempeln. Warum er einen Paradigmenwechsel für unabdingbar hält, erklärt er im Gespräch.
Sie versprechen mit Ihrem Projekt Réseau de l’Arc nichts weniger als einen Paradigmenwechsel. Über integrierte Versorgung spricht man schon lange. Was ist denn am Réseau so revolutionär?
Das Réseau de l’Arc ist die erste integrierte Versorgungsorganisation der Schweiz. Durch die Beteiligung der Visana Versicherung wird es möglich, ein neues Versicherungsmodell anzubieten, das vollständig auf die Menschen und ihre Gesundheit ausgerichtet ist. Nicht die Krankheit steht im Mittelpunkt, sondern die Gesundheit.
Die Menschen im Berner Jura profitieren von einem breiten Angebot an stationären und ambulanten Leistungen und von Leistungen in der Gesundheitsprävention, die sonst nicht von der Krankenkasse bezahlt würden.
Der Kanton Bern beweist einmal mehr seinen Willen, ein führender medizinischer Standort zu sein - sei es in der Hochschulmedizin, der Grundlagenforschung oder der Medizintechnik -, aber auch seinen Willen, die Weichen für das zukünftige Gesundheitssystem der Schweiz zu stellen.
Prävention spielt im Projekt eine grosse Rolle, denn gesunde Menschen kosten weniger. Warum soll Prävention diesem Réseau besser gelingen als anderen Vorhaben? Was macht es anders?
Im neuen System werden die Patientinnen und Patienten zu Kundinnen und Kunden und versichern sich als «Person». Sie versichern im Grunde also ihr Wohlergehen und nicht eine eventuell eintretende Krankheit.
Alle Leistungserbringer in der Versorgungskette arbeiten Hand in Hand und haben ein gemeinsames Ziel. Nämlich, dass die Klientin oder der Klient gesund bleibt und, falls sie oder er doch krank wird, so schnell und angemessen wie möglich versorgt wird. Dies im Unterschied zum klassischen System, bei dem die Leistungserbringer des Gesundheitswesens einen finanziellen Anreiz dafür haben, möglichst viele Patienten möglichst intensiv zu behandeln.
Bis jetzt ist vom Vorhaben nicht viel mehr bekannt als das Beteiligungsverhältnis der neuen AG. Wann dürfen wir mit projektspezifischen Details rechnen?
Die Arbeiten am gemeinsamen Projekt wurden bereits in Angriff genommen. Dabei werden die politischen Akteure, die Bevölkerung und die regionalen Leistungserbringer eng eingebunden, um eine breite Unterstützung und den nachhaltigen Erfolg der Réseau de l’Arc zu gewährleisten.
Die Einführung eines alternativen KVG-konformen Grundversicherungsprodukts «Réseau de l'Arc» ist für das Versicherungsjahr 2024 geplant.
Sie wollen ein integriertes Versorgungsnetz für eine ganze Region aufbauen, erwähnen die Haus- und Kinderärzte aber mit keinem einzigen Wort. Rechnen Sie damit, dass eh bald keine mehr hat?
Selbstverständlich beziehen wir Haus- sowie Kinderärzt:innen in das Projekt mit ein. Das haben wir im Rahmen der Präsentationen auch explizit betont. Das Hôpital du Jura bernois spielt seit Jahren eine wichtige Rolle in der Hausarztmedizin. Uns ist es wichtig, möglichst viele Akteure im Gesundheitswesen in unserem System der integrierten Versorgung miteinander zu verknüpfen.
Denn wir möchten auch unseren Hausärztinnen wieder mehr Gewicht verleihen und ein echtes System der integrierten Versorgung einführen, in dem der Einzelne und seine Gesundheit im Mittelpunkt steht. Wir alle wissen, dass die Hausärzte die «Gatekeeper» im System sind.
Wir unternehmen im Kanton Bern sehr vieles, um die Haus- und Kinderärzt:innen zu unterstützen. Vor Kurzem hat die Regierung des Kantons Bern alle Leistungserbringer in der Spitalversorgung verpflichtet, sich an der Weiterbildung zu beteiligen. Auch die Beiträge für die Weiterbildung wurden angehoben, was vor allem in den unterversorgten Fachrichtungen wie Allgemeine Innere Medizin sowie Kinder- und Jugendmedizin die Nachwuchsförderung stärken soll.
Für die Jahre 2023 – 2026 haben wir zudem die mitfinanzierten Stellen im Programm «Praxisassistenz» um 10 Stellen auf 45 erhöht. Die Koordination läuft über das Institut für Hausarztmedizin an der Uni Bern.
Die steigenden Kosten sind ein Problem, ein noch grösseres ist der Fachkräftemangel, in der Pflege, bei den Hausärzt:innen, in der Psychiatrie. Wie geht das Réseau damit um?
Der Fachkräftemangel ist ein Thema, das uns schon lange beschäftigt. Der Mangel an Fachkräften in der Gesundheitsbranche und in der Pflege wurde von der GSI schon vor über 10 Jahren angegangen und wir haben 2012 die Ausbildungsverpflichtung bei nichtuniversitären Gesundheitsberufen geschaffen. Das Programm ist sehr erfolgreich, die Herausforderungen halten jedoch an. Also brauchen wir verschiedene Lösungen.
Im Réseau de l’Arc geht es darum, dass alle medizinischen und pflegerischen Berufsgruppen vernetzt zusammenarbeiten und dadurch die einzelnen Personen weniger belastet sind. Die Medizinalfachpersonen sollen sich auf ihre Facharbeit konzentrieren können und die anfallende Arbeit kann somit effizienter erbracht werden.
Das integrierte Gesundheitssystem kann somit einen möglichen Weg aufzeigen, das Problem anzugehen, indem man sich auf die nötigen und adäquaten Leistungen konzentriert und nicht mehr auf eine Maximierung des Behandlungs- und Leistungsvolumens.
Das Gespräch führten Yvan Rielle und Cynthia Ringgenberg.