Editorial
Es tut sich was, aber…
Integrierte Grundversorgung leben wir als Haus- und Kinderärzt:innen in unserem Praxisalltag. Es ist begrüssenswert, dass die Politik Innovationen anstossen möchte. Denn das Ziel sollte sein, mehr kollektive Verantwortung für das grosse Ganze zu übernehmen. Aber einige Fragen müssen noch beantwortet werden.
Wir Haus- und Kinderärzt:innen unterstützen Projekte der gut vernetzten und interprofessionellen Grundversorgung. Wir dürfen behaupten: Seit jeher. Und alle Kolleg:innen, die ich kenne, leben das Credo der integrierten Versorgung in ihrem Praxisalltag. Mit der Physiotherapeutin und dem Psychologen, mit der Spitex und dem Spital, mit der Spezialistin, mit dem Schulsozialdienst, dem Heim – «you name it». Lokal, regional und ganz pragmatisch.
Dass nun auch die Politik hilft, Innovation anzustossen, ist prima vista begrüssenswert. Weniger Silo- und Gärtchendenken, dafür mehr kollektive Verantwortung übernehmen für das grosse Ganze, das muss das Ziel sein. Auch was die Kosten angeht, aber nicht nur. Das gilt auch für das angekündigte Réseau de l’Arc im Jura, das wir in diesem Magazin in den Fokus rücken. Daneben haben wir spannende Beiträge zur Prävention in der kinderärztlichen Praxis, zum Wandel der Fortbildungslandschaft und zum Wert gegenseitiger Praxisbesuche bei Kolleg:innen.
Aber zurück zum Réseau. Budgetmitverantwortung und Zielvorgaben für alle involvierten Akteure sind in aller Regel zentrale Pfeiler solcher Konstrukte, gerade wenn, wie hier, Krankenkassen eng «mitintegriert» werden. Daran ist zunächst nichts falsch. Viele Netzwerke kennen das. Allerdings habe ich als, verglichen mit den grossen Playsern, kleine Leistungserbringerin auch Bauchweh.
Wer sich anschaut, was Modelle mit Budgetsteuerung zum Beispiel in Deutschland anrichten, kann es uns nicht verübeln, dass wir Haus- und Kinderärzt:innen nur davor warnen können, dieselben Fehler in der Schweiz zu wiederholen. Rationierte Ressourcen, Fehlanreize und eine Verschlechterung der Versorgungsqualität sind ja nicht das, was irgendjemand ernsthaft wollen könnte.
Wie sieht es mit der Wahlfreiheit der Patient:innen aus? Und wie mit meiner als überweisende Ärztin? Fällt in der Region dann der Kontrahierungszwang? Was ist mit Patient:innen, die nicht bei der «richtigen» Krankenkasse versichert sind? Was mit den Leistungserbringer:innen, die nicht Teil des integrierten Versorgungsnetzen sind? Wie wird die im Modell so sehr betonte Präventionsarbeit, die gerade von uns Haus- und Kinderärzt:innen täglich erbracht, aber kaum entschädigt wird, abgegolten?
Das sind nur einige der offenen Fragen. Bleibt zu hoffen, dass die eine oder andere davon mit den jurassischen Kolleg:innen vor Ort schon diskutiert wurde. Ob das Projekt erfolgreich zum Fliegen kommt, steht und fällt in erster Linie mit der guten Integration der Haus- und Kinderärzt:innen und mit der Zufriedenheit der Patient:innen. Und erst in zweiter Linie mit einer positiven Kostenbilanz.