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Das Magazin der Berner Haus- und Kinderärzt:innen

Lesedauer ca. 6 Min.

Strategien zur Förderung der Zufriedenheit von Assistenzärzt:innen in der Pädiatrie

Interview

Strategien zur Förderung der Zufriedenheit von Assistenzärzt:innen in der Pädiatrie

Assistenzärzt:innen sind aufgrund ihrer Situation als lernende Fachkräfte vielseitigen Stressoren ausgesetzt. Julian Jakob ist Assistenzarzt am Spitalzentrum Biel und hat eine Studie zu diesem Thema durchgeführt. Im Gespräch mit unserem Vorstandsmitglied Eva Hugentobler erzählt er, wie man die Zufriedenheit von Assistenzärzt:innen verbessern könnte.

Julian Jakob / Assistenzarzt Spitalzentrum Biel

Die hohe Arbeitsbelastung und die vielen Arbeitsstunden sind entscheidende Faktoren, die das Wohlbefinden der Assistenzärzt:innen reduzieren. Wie sieht das bei Ihnen persönlich aus?

Die Weiterbildungszeit empfinde ich als sehr lehrreich und spannend, allerdings sind es lange Arbeitstage und viele Dienste, sodass das Sozialleben unausweichlich tangiert wird. Dem Wunsch nach «persönlicher Erfüllung» auch ausserhalb des Spitals nachzugehen, finde ich sehr wichtig – dies angelehnt an das Prinzip der «Säulen der Resilienz» (Aktivitäten diversifizieren = stärkere psychologische Stabilität). 

Ich plane meine Forschungszeit im Wechsel zu meiner klinischen Tätigkeit ein. Das ermöglicht mir eine freiere Planung und das stärkt wiederum meine Motivation in der medizinischen Praxis.

Was könnte man gegen die hohe Arbeitsbelastung tun?

Man könnte mehr Teilzeitstellen schaffen, eine 42-Stunden-Woche einführen (was bei fast allen anderen Berufen Standard ist). Ausserdem könnte man den Alltag durch strukturelle Unterstützung, wie z.B. Spracherkennung zum Diktieren, Case Management für organisatorische Anliegen oder intuitive IT-Programme, effizienter gestalten.

Julian Jakob ist Assistenzart am Spitalzentrum Biel, PhD Student am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) und an der Kinderklinik des Inselspitals in Bern und Vertreter der Assistenzärzt:innen bei Pädiatrie Schweiz (SGP).

Er hat die Studie Assistenzärztinnen und -ärzte in der Pädiatrie durchgeführt.

Sind bereits Pilotstudien zur Evaluation der 42-Stunden-Woche und mehr Teilzeitarbeit geplant?

Ja, in Zürich auf der Intensivstation gibt es das Pilotprojekt «42+4-Stunden-Woche». Dieses scheint sehr gut zu funktionieren, die Assistenzärzt:innen sind zufriedener, und durch effiziente Planung mussten nicht mehr Stellen geschaffen werden. (Anm. der Redaktion: Das Unispital Zürich wurde für ihre Reduktion bei der Arbeitszeit mit der «Spitalrose» ausgezeichnet. Die «Spitalrose» belohnt Kliniken bzw. Spitäler, welche die Situation der Ärzt:innen mit gezielten Massnahmen verbessern.)

Assistenzärt:innen wünschen sich eine Optimierung bei der Weiterbildung. Zum Beispiel zum Thema Ultraschall-Curriculum. Wie könnte man diesen «Flaschenhals» angehen, damit möglichst viele Assistenzärzt:innen davon profitieren könnten?

Aktuell werden bereits während des Medizin-Studiums Ultraschall-Curriculae angeboten. Dazu gibt es immer mehr POCUS-Instruktor:innen, sowohl in Funktion von Oberärzt:innen im Spital, wie auch bei niedergelassenen Pädiater:innen. Das ermöglicht eine direkte Supervision für Assistenzärzt:innen im klinischen Alltag. Des Weiteren werden Rotationen auf der Radiologie angeboten und man kann externe Kurse besuchen (z.B. der SGUM).

Studie: Assistenzärzt:innen in der Pädiatrie

Assistenzärzt:innen sind aufgrund ihrer Situation als lernende Fachkräfte vielseitigen Stressoren ausgesetzt. Aus Studien über Assistenzärzt:innen in der allgemeinen inneren Medizin weiss man, dass die Arbeitsbelastung hoch und die Zufriedenheit gemischt ist. Ziel der Studie war eine Beschreibung der Weiterbildungsstrategien, Meinungen und Sorgen von Assistenzärzt:innen in der Pädiatrie in der Schweiz.

Der Altersmedian lag bei 30 Jahren. Die Mehrheit der Assistenzärzt:innen arbeitete ausschliesslich in der Klinik, nur wenige in der Praxis und/oder Forschung. Im Median wurde eine Wochenarbeitszeit von 55 Stunden bei einer 100%-Anstellung angegeben. Insgesamt war rund die Hälfte der Teilnehmenden der Ansicht, dass sie zu viel arbeiteten, was auf unzureichende administrative Unterstützung oder Unzufriedenheit mit der klinischen Software zurückgeführt wurde.

Die mulitmodalen Lernressourcen sollen mit einer digitalen pädiatrischen Bildungsplattform ergänzt werden. Gibt es schon eine konkrete Umsetzung?

Auf der Bildungsplattform von Pädiatrie Schweiz gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Man findet dort «E-Learnings» (inkl. Credits nach Lernkontrolle), «Guidelines» oder «Essentials» (= Basiswissen für alle). Als Mitglied der SGP hat man kostenlosen Zugang.

Zudem gibt es viele Kurse (sowohl Weiter- wie auch Fortbildung), die auf der Website von Pädiatrie Schweiz oder Kinderärzte Schweiz (spezialisiert auf Praxispädiatrie) angeboten werden.

Zur Stressreduktion der Assistenzärzt:innen hat man mittels Pediatric Integrative Medicine in Residency Program in den USA versucht, mit strukturierten Ausgleichsaktivitäten wie Achtsamkeitstraining entgegenzuwirken, jedoch nur mit moderatem Erfolg. Warum?

Kognitive Verhaltenstherapie braucht Zeit – und genau das ist das Problem. Eine Möglichkeit wäre es, dass man das Achtsamkeitstraining in den klinischen Alltag einbaut. Das wäre ein guter Ansatz, um die Resilienz zu stärken. 

Allerdings bringt auch ein hohes Mass an Resilienz nur wenig, wenn die Strukturen kein effizientes und sinnstiftendes Arbeiten ermöglichen. Neben der Stärkung der Resilienz sollte meiner Meinung nach vor allem bei der hohen Arbeitsbelastung angesetzt werden. Stichwörter dazu: Dienstplanung, Bürokratie, Umgang mit Verantwortung und strukturierte Weiterbildung.

Durch organisatorische Massnahmen könnte man die Zufriedenheit der Assistenzärzt:innen gemäss Studie deutlich steigern. Warum funktioniert dies in der Realität nicht?

Die Digitalisierung in Spitälern steckt im Vergleich zu anderen wirtschaftlichen Zweigen in den Kinderschuhen – viele Prozesse sind ineffizient und zeitintensiv.

Die Unzufriedenheit der Assistenzärzt:innen hat zum Teil auch mit einem gewissen Generationenkonflikt zu tun. Früher war das Bild «Medizin als Berufung» führend. Heute möchten Ärzt:innen neben ihrem Beruf auch ein Sozialleben gestalten und die Möglichkeit haben, sich für Engagements neben der Hauptarbeit einzusetzen.

Der Trend in der Medizin geht dahin, dass angehende Ärzt:innen vor allem in kleinen Gemeinschaftspraxen in Teilzeit arbeiten möchten. Im Spital-Setting ist dies schwieriger zu organisieren. Das könnte Auswirkungen auf die Rekrutierung von motiviertem Nachwuchs haben. Wie könnte man dieses Problem angehen?

Ich bin überzeugt, dass dies auch im Spital-Setting funktionieren kann. Zum Beispiel im Rahmen eines Job-Sharings. Dies könnte sogar eine Chance sein – wenn jemand krank ist, kann die andere Person einspringen. Dadurch hat man mehr Reserven, als wenn alle 100% ausgelastet sind. Aktuell sind Soll-Arbeitszeit und maximale Arbeitszeit beide bei 50 Stunden, das lässt wenig Spielraum. In Zukunft wird es für die Assistenzärzt:innen wohl mehr Kollaborationen im Praxis-Spital geben, insbesondere bei der Tendenz zu mehr ambulanten und weniger stationären Behandlungen.

Ich möchte nochmals betonen, was in der Erhebung klar signalisiert wurde: Insgesamt sind die aktuellen Assistenzärzt:innen hochmotiviert, sie lieben ihren Beruf und den Kontakt zu ihren Patient:innen. Viele Assistenzärzt:innen äussern aber klar das Bedürfnis, neben dem Hauptberuf Zeit in weitere Interessen investieren zu können.

Das Gespräch führte Eva Hugentobler.