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Das Magazin der Berner Haus- und Kinderärzt:innen

Lesedauer ca. 3 Min.

Fachkräftemangel, eine Pandemie in der Pandemie

Politik

Fachkräftemangel, eine Pandemie in der Pandemie

Pubs und Schweizer Hausarztpraxen haben keine Gemeinsamkeiten? Doch! In der Bar fehlt das Personal, um Bier zu zapfen, und die Hausarztpraxen hängen am letzten Tropf. Grund: Personalmangel, jetzt auch bei den MPA.

Kürzlich erklärte mir ein Pub-Besitzer in einem irischen Städtchen, er könne sein Pub nur noch sechs Tage pro Woche geöffnet haben, immerhin einen Tag Durchschnaufpause müsse er seinem unterdotierten «staff» (zu 90% bestehend aus Studierenden) pro Woche nämlich gewähren. Er befürchte, nicht mal so würde sein Personal den Sommer durchstehen, er rechnet mit weiteren Kündigungen.

Es sei sehr schade, denn die Touristen seien da und das Guiness sowie die Fish’n Chips wären konsumbereit. Nicht schwierig vorzustellen die Enttäuschung der Einheimischen, wenn «ihr» Pub, Treffpunkt jeglichen sozialen Austausches, für ihr Feierabend-Gathering und das gemeinsame Musizieren geschlossen bleibt. Wegen Personalmangel!

Ähnliche Story in einer touristisch bekannten schweizerischen Bergregion: Ein Kollege erzählt, seit mehreren Monaten finde er nach einer Kündigungswelle keine neuen MPA, die Verbleibende müsse auch mal Ferien machen. Es bleibe ihnen als Ärzten nichts anderes übrig, als während zwei Wochen ohne (!) MPA zu arbeiten und während des ganzen Sommers die Sprechstundentätigkeit auf einen Notfalldienst runterzufahren, teils sogar die Praxis zu schliessen.

Was das für die Gesundheitsversorgung der einheimischen Bevölkerung (und sekundär auch für den Tourismus und das Spital) heisst, will man sich lieber weder bildlich noch volkswirtschaftlich vorstellen. Ob hier mittel- bis langfristig ANP und Interprofessionalität genug Abhilfe verschaffen werden, ist zu hoffen, aber leider auch zu bezweifeln. 

Womit wir in den Haus- und Kinderarztpraxen bzw. im Gesundheitswesen schon lange zu kämpfen haben, weitet sich nun also auf fast alle Wirtschaftssektoren aus. Der Personalmangel hat sich schneller und spürbarer zugespitzt als befürchtet, er ist zur Pandemie in der Pandemie geworden.

Spitäler vermelden schon jetzt eine Reduktion der Bettenkapazitäten, in Altersheimen können wegen Personalmangel nicht alle Zimmer betrieben werden. Was passiert wohl im Winter, wenn die Viren noch stärker zuschlagen werden? Die einzigen Lachenden sind die Stellensuchenden, denn die Auswahl ist unendlich und sie können Bedingungen stellen, wovon sie bisher nur geträumt haben.

Den zunehmend ausgetrockneten Stellenmarkt bemerken auch wir in den Haus- und Kinderarztpraxen: Es ist schwierig(er) geworden, qualifizierte, motivierte Menschen anstellen und ausbilden zu können. Nichtsdestotrotz ist es genau jetzt wichtig, mehr Lehrstellen für MPA anzubieten, um diesem Trend entgegenzuwirken. Weiter müssen die  Arbeitsbedingungen attraktiv sein, damit ausgebildete MPA im Beruf bleiben. Dazu gehören nicht nur ein angemessener Lohn und ein guter Teamspirit, sondern auch Entwicklungsmöglichkeiten, z.B. für Medizinische Praxiskoordinator:innen (MPK). Hier hoffen wir auf die möglichst baldige Einführung des TARDOC, der dies besser unterstützen wird.

Unsere MPA und MPK sind das Rückgrat in unseren Praxen, ohne sie geht gar nichts. Positiv ausgedrückt: Haben wir genügend und gut qualifizierte, motivierte MPA und MPK, so macht das auch unseren ärztlichen Alltag angenehmer und attraktiver. Es ist also auch eine indirekte Investition in das ärztliche «Well-Being», und unsere Patient:innen werden es ebenso schätzen.