Grosser Rat
Was das neue Gesundheitsgesetz bringt
Der Grosse Rat des Kantons Bern hat ohne grosses Aufheben das Gesundheitsgesetz revidiert. Vieles sind formelle Anpassungen etwa an neue bundesrechtliche Vorgaben. Neu ist aber auch zum Beispiel, dass der Kanton die Organisation des Notfalldiensts übernehmen kann, wenn dieser nicht mehr gewährleistet ist. Ein erster Überblick.
Dass die Revision eines kantonalen Gesundheitsgesetzes so geräuschlos über die Bühne geht, ist eine erstaunliche Ausnahme. Dafür tangiert dieses in aller Regel zu viele Beteiligte und Interessen. In der abgelaufenen Wintersession ist im Grossen Rat des Kantons Bern aber genau das passiert: Einstimmig bei nur einer Enthaltung hat der Grosse Rat ohne Lärm und Nebengeräusche zahlreiche Änderungen beschlossen.
Tatsächlich betreffen die meisten davon formale oder redaktionelle Aspekte, dort zum Beispiel, wo es um den kantonalen Nachvollzug nationaler Vorgaben geht, etwa im Bereich der Medizinalberufe. Neu regelt es zum Beispiel, dass das Beherrschen einer Amtssprache Voraussetzung ist für das Erlangen der Berufsausübungsbewilligung (Art. 15b Abs. 1 Lit. c), oder es präzisiert, unter welchen Bedingungen behördliche Inspektionen und betriebliche Massnahmen zulässig sind (Art. 17 Lit. b1). Für den allergrössten Teil der Hausärzte und Kinderärztinnen ändern viele dieser Anpassungen im Praxisalltag kaum etwas.
Periodische Lieferung von Daten zur Versorgungslage
Wo das neue Gesetz allenfalls im Alltag spürbar wird, ist bei der Datenlieferung. Für viele ein Buzzword mit gehörig Triggerpotenzial. Die Ärzteschaft hat sich im Rahmen der Vernehmlassung erfolgreich für eine pragmatische Lösung stark gemacht, die jetzt noch vorsieht, dass Fachpersonen, die für ihre Tätigkeit einer Bewilligung bedürfen, bei der zuständigen Stelle der Behörden (GSI) periodisch ihre Kontaktdaten, Art und Umfang ihrer Tätigkeit und den Arbeitsort aktualisieren (Art. Art. 20 Abs. 1). Damit sollten die Praxen leben können. Im Hinblick auf eine vernünftige und nachhaltige Versorgungsplanung – gerade im Bereich der Hausarztmedizin – sind derlei grundlegende Daten eigentlich ein Must.
Mehr Kompetenzen für den Kanton beim Notfalldienst
Zum Reizwort geworden ist für viele Hausärztinnen und Kinderärzte der Notfalldienst. Wir haben anhand unserer letztjährigen Erhebung eindrücklich gesehen, wie sehr der Notfalldienst vielerorts zum Problem geworden ist, ganz einfach deshalb, weil zu viele Dienste auf zu wenige Schultern zu verteilen sind. Der Hausarztmangel schlägt in vielen Regionen voll durch.
Zuständig waren und sind für die Organisation der Notfalldienste die regionalen Organisationen (Bezirksvereine) unter dem Lead der Berner Ärztegesellschaft (BEKAG). Das wird auch mit dem revidierten Gesundheitsgesetz grundsätzlich so bleiben. Aber: Es überträgt dem Kanton bzw. der zuständigen GSI weitreichende subsidiäre Kompetenzen. Art. 30 b Abs. 4 hält fest: «Ist die Organisation des ambulanten Notfalldienstes nicht mehr gewährleistet, kann die GSI die erforderlichen Massnahmen einschliesslich der Erhebung und Verwendung der Ersatzabgaben (…) anordnen.» Will die Ärzteschaft verhindern, dass der Kanton beim ambulanten Notfalldienst das Zepter übernimmt, muss sie zeigen, dass sie in der Lage und Willens ist, den Notfalldienst auch unter erschwerten Bedingungen personeller Knappheit selbst zu organisieren.
Nachwuchsförderung über Weiterbildungsentschädigungen
Im Bereich der Nachwuchsförderung ist aus Sicht der ärztlichen Grundversorgung der neue Art. 105a zu erwähnen. Er regelt die Abgeltung für Weiterbildungsleistungen. Wer Aufgaben in der Weiterbildung übernimmt, soll dafür entschädigt werden. Das ist schon heute für die Spitäler mit entsprechenden Pauschalen der Fall sowie für die Haus- und Kinderarztpraxen im Rahmen der vom Kanton unterstützten, aber befristeten Praxisassistenzprogramme für eine beschränkte Anzahl von Plätzen (35 Stellen pro Jahr). Erfreulich ist hier insbesondere, dass der Grosse Rat eine Präzisierung der regierungsrätlichen Vorlage vorgenommen hat, die verlangt, dass der Regierungsrat bei der Festlegung der Abgeltungen «insbesondere die ärztlichen Fachrichtungen (berücksichtigt), bei denen eine Unterversorgung besteht.»
Das neue Gesundheitsgesetz stellt die kantonale Versorgungslandschaft nicht auf den Kopf, gewiss nicht. Aber es birgt durchaus einige relevante Neuerungen, deren Konkretisierung auf Verordnungsebene wir mit der nötigen Aufmerksamkeit und Sorgfalt beobachten werden.