Corona
Covid-Impfungen in der Hausarztpraxis
SARS-CoV2 beschäftigt uns in den Praxen auf voller Breite. Betreuung akut kranker Patientinnen und Patienten, Beratungen und Aufklärungen, Booster bei den Senioren und allen anderen, Impfungen der Jugendlichen und bald auch der Kinder, ständig wechselnde Tarife, Abrechnungen in Parallelsystemen, laufendes à-jour-Halten der aktuellen Informationen und Empfehlungen. Alles neben einer sonst schon vollen bis übervollen Praxis.
Seit Beginn der Pandemie sehen wir uns mit wechselnden Herausforderungen konfrontiert, vieles sah man kommen, anderes überrascht auch uns immer wieder von Neuem. Momentan ist der Umgang mit den Booster-Impfungen die grosse Herausforderung, daneben sind wir wohl alle weiterhin dran, unsichere und zaudernde Patientinnen und Patienten aufzuklären und zur Impfung zu motivieren. Ganz aktuell kommen vor allem für uns Kinder- und Jugendärztinnen noch die Impfungen bei den 5- bis 11-Jährigen dazu. Hier werden wir erneut mit der ganzen Bandbreite von „schon lange Wartenden“, über „Unsichere“ bis „ich lasse mein Kind sicher nicht impfen“ konfrontiert. Bei all diesen Problemen versuchen wir, Sachlichkeit zu vermitteln und uns bestmöglich zu engagieren.
Die Pandemie deckt aber auch schonungslos lang schwelende Probleme in unserem Gesundheitswesen auf, und zwar auf allen Ebenen. Engpässe auf den Intensivstationen und die Diskussion um drohende Triage ebendort mögen die Schlagzeilen dominieren. An der Basis der Grundversorgung zeigt sich aber einmal mehr, dass schon lange ein relevanter Mangel an Hausärztinnen und Kinderärzten besteht. Augenscheinlich wird er durch unser angebliches „Unvermögen“, unseren Patientinnen und Patienten die Impfungen anzubieten. Dass uns unterschwellig oder offen vorgeworfen wird, nur deshalb nicht zu impfen, weil es nicht rentiere, muss man, mit Verlaub, als Respektlosigkeit bezeichnen. Viele von uns tun es nicht deshalb nicht, weil die Entschädigung zu tief ist, auch nicht, weil wir das nicht wollen oder können. Nein, auch viele von uns sind in den Praxen schlicht und einfach mit einer Triagesituation konfrontiert: Wie setzen wir unsere begrenzten Ressourcen optimal ein? Jeder Impfslot fehlt für Testkapazitäten, jeder Testslot füllt Sprechstundenzeit für akut Kranke und steht für wichtige soziale Beratungen und Vorsorgegespräche nicht zur Verfügung.
Dies führt bei vielen Kolleginnen und Kollegen zu einer zunehmenden Unzufriedenheit und dem Gefühl, nicht die Betreuung bieten zu können, die man möchte und die nötig wäre. Dass Hausarztpraxen wenig impfen, hat also schlicht und einfach damit zu tun, dass viel zu wenige von uns viel zu viele Patientinnen und Patienten betreuen müssen und die Praxen am Anschlag laufen. Schon lange. Nicht nur wegen Corona.
Dazu kommt noch eine ganze Personengruppe, welche zunehmend gar keine Grundversorgung mehr zur Verfügung hat. Viele, vor allem jüngere Patientinnen und Patienten finden bereits jetzt keine Hausärztin mehr als medizinische Vertrauensperson mehr. Als Pädiater wissen wir, dass zur Erreichung eines breit erfolgreichen Impfprogrammes regelmässige Kontakte, Vertrauen und kongruente Information nötig sind. Die Folgen dieses Mangels zeigen sich unter anderem darin, dass gerade diese Gruppe der jüngeren Erwachsenen im Rahmen der Pandemie schlecht erreicht wird und sich ihre Informationen über zum Teil abenteuerliche Kanäle holt. Das Resultat ist bekannt.
Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig eine gute und für alle zugängliche hausärztliche Versorgung ist. Es ist aber auch wichtig, dass wir ganz klar kommunizieren, wie die Situation ausschaut. Wir engagieren uns jeden Tag, würden gerne auch impfen, leider sind aber viele von uns mit der Situation konfrontiert, dass hierzu einfach die Ressourcen fehlen.