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mfe lehnt Massnahmenpaket des Bundesrats zur Kostendämpfung ab
Medieninformation von mfe anlässlich der Vernehmlassung zur geplanten Änderung des Bundesgesetztes über die Krankenversicherung
Bern, November 2020
Der Bundesrat weist der Hausarztmedizin eine zentrale Rolle zu bei der Ausgestaltung eines finanziell tragbaren Gesundheitswesens. Zweifellos ist dies der richtige Weg. Kinder- und Hausärzte lösen die meisten medizinischen Probleme selber und dies äusserst kostengünstig. Die beklagte Kostensteigerung findet in der Hausarztmedizin nicht statt. Die vorgeschlagenen Reformen würden aber weder die Haus- und Kinderarztmedizin stärken noch zu einer nachhaltigen Kostendämpfung führen. Vielmehr schaden sie der medizinischen Versorgung und damit den Patientinnen und Patienten. Deshalb lehnt mfe die Vorschläge des Bundesrates zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Massnahmen zur Kostendämpfung – Paket 2) ab.
Mit seinen Vorschlägen siehtder Bundesrat die Haus- und Kinderarztmedizin als wichtigster Faktor und Basis eines kosteneffizienten und qualitativ hochstehenden Gesundheitswesens. Nicht ohne Grund: Eine Studie des Instituts für Hausarztmedizin Zürich belegt, dass Haus- und Kinderärzte 94,3% der Gesundheitsprobleme selber lösen und dafür nur 7,9% der Gesundheitskosten in Anspruch nehmen. Kurz: Mit einer starken medizinischen Grundversorgung lassen sich unnötige Untersuchungen und Behandlungen vermeiden, die Versorgungsqualität verbessern und gleichzeitig Gesundheitskosten im Griff haben.
An der langfristigen Wirkung der Vorschläge des Bundesrates hat mfe jedoch erhebliche Zweifel. «Wir lehnen die Vorschläge ab, weil sie in die falsche Richtung gehen», sagt Philippe Luchsinger, Präsident von mfe. «Mit vermeintlich einfachen Massnahmen greift der Bundesrat massiv in ein hochkomplexes System ein und gefährdet dadurch auch etablierte Ansätze wie das Hausarztmodell oder Grundversorger-Netzwerke.»
Einseitige Kostenbetrachtung ist nicht zielführend
Die Kostensteigerung im Gesundheitswesen hat viele Ursachen. Dazu zählen der medizinische Fortschritt (gewollt und für alle von Vorteil), die gestiegene Nachfrage aufgrund der Alterung der Gesellschaft oder verändertes Patientenverhalten. Die Vorschläge des Bundesrats zur Kostendämpfung setzen ungeachtet dieser Komplexität primär bei den Leistungserbringern an. Eine so einseitige Kostenbetrachtung lehnt mfe ab, da sie weder zielführend noch nachvollziehbar ist.
Freiwillige Erstanlaufstellen bei Haus- und Kinderärzten
Die zentrale Funktion von Haus- und Kinderärzten liegt in der Koordination der Behandlungswege in Kenntnis der Geschichte und Bedürfnisses der Patienten. Die langjährige Patientenbeziehung wirkt und vermeidet Kosten. Eine zentrale Koordination verhindert unnötige Untersuchungen. Erstanlaufstellen können zwar ein Schritt in diese Richtung sein, allerdings nicht wie vom Bundesrat skizziert. Entscheidend ist, wer Erstanlaufstelle ist und welche Kompetenzen diese Stelle hat. So erfüllen z.B. telemedizinische Angebote (ohne jede Patientenbeziehung und ohne Koordinationsfunktion) diese Voraussetzungen nicht.
Nicht zielführend ist auch das vom Bundesrat vorgesehene Obligatorium. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Hausarzt- und damit verwandte Modelle durchsetzen, wenn Prämienrabatte einen Anreiz setzen und das Patientenwohl im Vordergrund steht. Bereits heute sind 70 % der Versicherten sind in einem alternativen Versicherungsmodell. «Wir setzen deshalb weiter auf Freiwilligkeit und lehnen ein Obligatorium für Erstberatungsstellen ab, weil es ein System gefährdet, das sich gut etabliert hat», hält mfe-Vizepräsidentin Brigitte Zirbs fest.
Zielvorgaben führen zwangsläufig zu Rationierungen
Weiter will der Bundesrat die Kosten durch verbindliche Zielvorgaben dämpfen. Als Massnahmen erwägt er dafür Tarifanpassungen auf kantonaler Ebene, wobei er Leistungseinschränkungen ausdrücklich ausschliesst. «Der Bundesrat geht davon aus, dass Tarifeingriffe weder auf den Umfang der Leistungen noch auf deren Qualität oder die Versorgung einen Einfluss haben. Dies ist aber schlicht nicht realistisch», kritisiert Heidi Zinggeler Fuhrer. Tarifsenkungen würden über Kurz oder Lang immer zu einer Beschränkung von medizinischen Leistungen führen. mfe lehnt deshalb die Einführung rationierender Zielvorgaben entschieden ab. Sie gleichen einem Kostendach, das nur mit einem Leistungsverzicht eingehalten werden kann und so direkt zulasten der Kranken und Verunfallten geht.
Pauschalen sind in der Hausarztmedizin nicht zielführend
Erstberatungsstellen sollen mit Pauschalen für ihre Leistungen entschädigt werden. mfe lehnt solche Pauschalen ab. «Grundsätzlich sind in der haus- und kinderärztlichen Medizin Pauschalen schwierig, da der Bedarf an ärztlicher Beratung und Untersuchung nach Patient, Erkrankung und Situation stark variieren kann.» so Brigitte Zirbs. Inakzeptabel ist eine Pauschalisierung der Erstberatung, wenn die Abgeltung der haus- und kinderärztlichen Leistungen zur faktischen Rationierung von Versorgungsleistungen führt.
Koordinierte Versorgung stärken
mfe begrüsst, dass der Bundesrat die koordinierte und interprofessionelle Versorgung stärken will. Der Berufsverband setzt sich seit Jahren dafür ein. Es ist aber dringend nötig, dass interprofessionelles Arbeiten dem Nutzen und Aufwand entsprechend vergütet wird. Bei Patientinnen und Patienten mit komplexen Krankheitsbildern lohnt sich die häufig zeitintensive Koordinaotin, weil sie die Versorgungsqualität erhöht und Kosten reduziert, so können z.B. teure Hospitalisationen vermieden werden.
Netzwerke – Innovation darf nicht eingeschränkt werden
Pauschalen sieht der Bundesrat auch für Netzwerke vor, wobei diese von den Tarifpartnern ausgehandelt werden sollen. Netzwerke sind heute erfolgreich, weil sie innovativ und mit grossen vertraglichen Freiheiten gemeinsam mit den Versicherern Vergütungsmodelle aushandeln können, die auf lokale oder regionale Begebenheiten Rücksicht nehmen. Enge Vorgaben für Netzwerke auch bezüglich Abrechnungsformen behindern, was Netzwerke erfolgreich macht: Innovation und Flexibilität. «Netzwerke brauchen Freiheiten, damit sie innovativ sein können. Nur so tragen sie zur erhofften Kostendämpfung bei, an denen die Versicherer als Vertragspartner der Netzwerke ein vitales Interesse haben», sagt Luchsinger.
mfe begrüsst Reformen in Richtung eines hausarztbasierten Gesundheitssystems. Die vorgeschlagenen Massnahmen tragen aber wenig dazu bei. Vielmehr gefährden sie vielversprechende Entwicklungen der vergangenen Jahre. Philippe Luchsinger ist überzeugt: «Solange Reformen einzig unter dem Aspekt der Kostendämpfung diskutiert werden, können sie nicht gelingen. Sie bleiben dann Stückwerk, erhöhen die Komplexität und bewirken nicht selten das Gegenteil dessen, was man eigentlich wollte.»
Die detaillierte Stellungnahme von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz finden Sie hier: www.xy
mfe – der Verband für die politischen Anliegen der Haus- und Kinderärzte
Die Gesundheit der Bevölkerung, ihre Lebensqualität sowie die Kosten und die Qualität der Gesundheitssysteme sind stark vom Stellenwert der Hausarztmedizin abhängig. mfe setzt sich für die Förderung, die Besserstellung und die Stärkung der Hausarztmedizin ein.